Emanuele Fasciani (Rom, 1994) ist ein bildender Künstler, dessen Schaffen zwischen Malerei, Skulptur und Installation reicht. Nach einer internationalen Ausbildung an der École Nationale Supérieure d’Art de Nancy (Frankreich) und der Académie Royale des Beaux-Arts de Liège (Belgien) erwarb er 2020 ein Fachdiplom in Dekoration an der Akademie der Schönen Künste in Rom. Seine Arbeit zeichnet sich durch eine starke materielle und symbolische Komponente aus und konzentriert sich auf die Verwendung von Materialien wie Wachsen und Bitumen, Werkzeugen einer kontinuierlichen physikalischen und allegorischen Transformation von Materie. Seine Forschung stützt sich auf die Alchemie, deren Konzepte er in einer zeitgenössischen Sprache neu interpretiert.
Seit 2019 hat er an zahlreichen Ausstellungen in Italien und im Ausland teilgenommen. Seine erste Einzelausstellung fand in der Galerie der Académie Royale in Lüttich statt, im selben Jahr, in dem er den internationalen Skulpturenwettbewerb Art Mogao Caves in China gewann. 2021 gründete er zusammen mit anderen Künstlern den unabhängigen Raum CONDOTTO48 in Rom, der am östlichen Stadtrand aktiv ist. Er stellt in institutionellen Kontexten und auf Kunstmessen aus, darunter Materia Nova an der GAM in Rom (2022, kuratiert von Massimo Mininni), The Others Art Fair in Turin (2023, mit Contemporary Cluster), die zweiköpfige Ombra Lunga im Palazzo Rospigliosi (Zagarolo, 2024) und das Projekt Crisopea, Gewinner des Lazio Contemporaneo-Aufrufs (2024), mit einer ortsspezifischen Installation in Montecelio.
2024 wurde er für die vom Contemporary Cluster geförderte Künstlerresidenz „Cave“ im Palazzo Brancaccio in Rom ausgewählt und 2025 für die Artistinofficina-Residenz im Dorf Montefollonico (SI), wo er eine im gesamten Stadtraum verteilte Einzelausstellung gestaltete.
Zwischen den jahrhundertealten Olivenbäumen, die die terrassierten Hügel des Campo di Brenzone prägen, sticht „Forma Fluens“ – die fließende Form – hervor, eine ortsspezifische Installation von Emanuele Fasciani. Das Werk, konzipiert im Dialog mit der Natur und dem langsamen Lauf der Zeit in der Gardasee-Landschaft, befindet sich in ständiger Entwicklung. Es entwickelt sich als aufsteigendes Geflecht geschwärzter Zweige, getaucht in Bitumen, ein archaisches und urzeitliches Material. Die entblätterten Olivenzweige erinnern an nervöse und organische Formen: Pflanzenskelette, versteinerte Arterien, Lebewesen auf der Suche nach einem Ausweg aus der Erde, nach Befreiung. Diese dunklen Elemente verbinden zwei markante goldene Formen, schwebend und verzweigt, aus Bienenwachs. Von Hand in unregelmäßigen und fließenden Formen modelliert, stellt das Wachs die lebende Materie im Moment des Übergangs dar, inspiriert von den alchemistischen Prozessen der Transformation. Die goldene Struktur erinnert an die Rippen eines sich verändernden Organs oder die flüssige Hitze eines sich bildenden Sternbilds. Seine Zerbrechlichkeit ist spürbar: Das Gold glänzt, zittert aber im Sonnenlicht, im Regen, im Lauf des Lebens.
Die beiden unterschiedlichen goldenen Elemente haben eine unterschiedliche Gestalt und Präsenz: Das eine ist mit dem weiblichen, das andere mit dem männlichen Aspekt verbunden. Das weibliche Element, schlanker und geschwungener, ist von der Form des Olivenblattes inspiriert, einem Symbol für Zartheit und Leichtigkeit. Das männliche Element hingegen hat eine massivere und vertikale Struktur und erinnert an die kriegerische Natur des Olivenbaumstammes mit seiner widerstandsfähigen und uralten Stärke. Dieser materielle und symbolische Dualismus bereichert die Erzählung des Werks und unterstreicht den Dialog zwischen gegensätzlichen und komplementären Energien.
Das Werk ist zugänglich, es gibt keine Barrieren: Der Betrachter ist eingeladen, zwischen den Zweigen umherzugehen und das Licht zu beobachten, das durch die Öffnungen der goldenen Struktur fällt, und die schwarzen Schatten, die auf den Boden projiziert werden. Das Werk wird als Aussetzung der Zeit erlebt. Bei Sonnenuntergang verströmt das Bienenwachs einen süßen, harzigen Duft, der im Kontrast zum beißenden, anhaltenden Aroma des Bitumens steht: ein olfaktorischer Kontrast, der das Sinneserlebnis abrundet.
Im Lateinischen bedeutet „forma fluens“ „fließende Form“ oder „flüssige Form“. Es ist nur ein scheinbarer Widerspruch: Die Form begrenzt per Definition, verleiht Identität. Doch wenn sie fließt, öffnet sie sich, verleugnet sich selbst, verwandelt sich. Der Begriff erinnert an den heraklitischen Gedanken des panta rhei: Alles fließt, nichts bleibt unveränderlich.
Auch in der neuplatonischen Philosophie und in der alchemistischen Tradition wird Materie als ständig veränderlich, nie vollkommen fixiert, verstanden. „Forma Fluens“ wird so zum Bild einer instabilen, durchlässigen Identität, die von Transformationen durchzogen ist.